Klimaneutrale Gase – made in Austria. Welche Rolle spielen sie bei der Energiewende (10.03.2022)
Thomas Kienberger
Der Krieg in der Ukraine zeigt in diesen Tagen nicht nur unglaubliches menschliches Leid. Er zeigt auch die Abhängigkeit der europäischen Volkswirtschaften von fossilen Energieträgern. Österreich beispielsweise versorgt seinen Primärenergiebedarf heute zu rund 65% aus fossilen Quellen. Natürlich auch aufgrund der momentan so sichtbaren Abhängigkeitssituation aber insbesondere aufgrund des Klimawandels, ist ein rascher und großflächiger Umbau des Energiesystems in Richtung Erneuerbare vorzusehen. Während im Bereich des erneuerbaren Stroms, über das Jahr betrachtet, eine bilanzielle Versorgung aus heimischen erneuerbaren Potentialen möglich ist, erscheint dies bei den benötigten erneuerbaren Gasen als nicht darstellbar. Die Energiequellen, die eine Produktion von erneuerbaren Gasen wie Biomethan, Bio-SNG oder grünen Wasserstoff erlauben, sind derart beschränkt, dass auf Basis des zukünftigen Gasbedarfs eine signifikante Deckungslücke verbleibt. Zu dessen Aufbringung aus möglichst regionalen Quellen, ist es daher maßgeblich:
· Die genauen, räumlich und zeitlich verorteten Potentiale der genannten Gasarten zu kennen.
· Den zeitlich aufgelösten Gasbedarf der Sektoren Industrie, Privat, Verkehr sowie des Sektors Energie, anhand unterschiedlicher Bedarfsentwicklungsszenarien abschätzen und bewerten zu können.
· Über eine Abschätzung der Preisentwicklung der genannten Gasarten im Zusammenspiel mit der Preisentwicklung beim Erdgas, mögliche Hochlaufkurven für erneuerbares Gas abzuleiten.
Neben einer Einordnung der aktuellen Situation, werden im Vortrag zu den oben angeführten drei Punkten Ergebnisse aktueller Arbeiten des Lehrstuhls für Energieverbundtechnik der MUL vorgestellt.
Thomas Kienberger ist seit 2014 Professor und Leiter des Lehrstuhls für Energieverbundtechnik an der Montanuniversität Leoben. Experte für integrierte Energiesysteme im öffentlichen Raum und in der Industrie. Hauptaspekte seiner Forschung und Lehre sind interdisziplinäre, systemische Ansätze zur Integration Erneuerbarer und zur Erhöhung der gesamtsystemischen Energieeffizienz. Seit 2018 Mitglied der Steuerungsgruppe der Vorzeigeregion New Energy For Industry - NEFI und Leiter des NEFI_lab. Innovator und Netzwerker in der Industrielandschaft in Österreich und darüber hinaus.
200. Geburstag von Gregor Mendel: Vom Vater der Genetik zur modernen Pflanzenzüchtung (17.03.2022)
Johann Vollmann
Gregor Mendel wurde am 20. Juli 1822 geboren, er studierte in Wien, was ihn zu Kreuzungsexperimenten inspirierte, deren Ergebnisse er 1866 publizierte. Die biologische Welt stand zu jenem Zeitpunkt aber unter dem Eindruck von Charles Darwin und dessen Evolutionstheorie, sodass die Bedeutung von Mendels Werk erst im Jahr 1900 richtig erkannt wurde. 200 Jahre nach seinem Geburtstag hat sich die Pflanzenzüchtung zu einer modernen angewandt-genetischen Wissenschaft entwickelt. Mendelnde Merkmale werden noch immer gezielt eingesetzt, um die landwirtschaftliche Nahrungsmittelproduktion nachhaltiger zu machen. Beispiele aus der Sojabohnen- und Weizenzüchtung können das illustrieren.
Johann Vollmann absolvierte 1986 sein Diplomstudium in Agrarwissenschaften und anschließend sein Doktoratsstudium an der Universität für Bodenkultur Wien. Er habilitierte im Fach Pflanzenzüchtung und ist Professor nun Professor für Pflanzenzüchtung. Das Hauptaugenmerk seiner Forschung liegt in der Sojabohne und Ölpflanzen.
Transformation zur CO2-freien Stahlerzeung - Herausforderungen und Chancen (24.03.2022)
Johannes Schenk
Die rohstoff- und energieintensive Produktion von Eisen und Stahl ist für ein Drittel der globalen industriellen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Bezogen auf die Gesamtemissionsmenge in CO2-Äquvilant sind dies ca. 7 % weltweit und in Österreich sogar 17 %. Das 2015 verabschiedete Pariser Abkommen legt globale Ziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen fest. Die Europäische Union definierte als erster großer Wirtschaftsraum konkrete Zielwerte für die Reduktion des CO2-Ausstosses bis 2030 mit 50 % und 2050 mit 80 - 95 % im Vergleich zum Basis Jahr 1990. Andere Regionen und Staaten folgten dem Beispiel bzw. sind dabei, solche Zielwerte zu definieren.
Die globale Stahlindustrie hat sich ebenfalls verpflichtet, den CO2-Fußabdruck aus dem Betrieb der Stahlwerke und der Verwendung ihrer Produkte, einschließlich der Nebenprodukte, zu verringern. In den kommenden Jahrzehnten müssen Maßnahmen und neue Technologien umgesetzt werden, um die ehrgeizigen Ziele für eine kohlenstofffreie Stahlproduktion zu erreichen. Die europäische Stahlindustrie hat bereits eine Roadmap zur Transformation ihrer Stahlproduktion zur Erreichung der Klimaziele erstellt. Diese umfasst technologische Konzepte zur direkten Vermeidung von Kohlenstoff (Carbon Direct Avoidance, CDA), die Prozessintegration (PI) und die Kohlenstoffabscheidung und -nutzung (Carbon Capture and Utilization, CCU). Die parallele Strategie der Kreislaufwirtschaft zielt auf ein "Null-Abfall"-Konzept ab und ergänzt die oben genannten Wege als übergreifender Ansatz.
Die Herausforderungen, die sich dabei stellen, sind die Entwicklung der neuen Technologien zur industriellen Reife, die Verfügbarkeit von großen Mengen erneuerbarer Energie, insbesondere elektrische Energie und der hohe finanzielle Aufwand für die Investitionen der neuen Stahlerzeugungsanlagen mit der notwendigen Infrastruktur. Bei einem erfolgreichen Gelingen der Transformation kann ein substanzieller Beitrag für das weltweite Klimaproblem geleistet werden. Darüber hinaus ist eine autarke Versorgung der Stahlindustrie mit kostengünstigen, erneuerbaren Energieträgern erreichbar, was ein Wettbewerbsvorteil für die Standorte ist.
Johannes Schenk begann seine berufliche Laufbahn bei Voestalpine Industrieanlagenbau (heute Primetals Technologies Austria) im Jahr 1990. Er war als Verfahrens- und Forschungsingenieur für verschiedene Eisenerzeugungstechnologien wie MIDREX, COREX und FINMET tätig. Als Hauptabteilungsleiter für Forschung und Entwicklung war er von 1992 bis 2007 für die Entwicklung des Schmelzreduktionsverfahrens FINEX verantwortlich.
Im Jahr 2008 erhielt er einen Ruf als ordentlicher Professor für den Lehrstuhl für Eisen- und Stahlmetallurgie an der Montanuniversität Leoben. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in der Primärtechnologie der Stahlerzeugung, also der Eisenerzeugung und der Rohstahlerzeugung. Die aktuellen Themen in den laufenden Forschungsprojekten beziehen sich auf die CO2-arme Stahlproduktion und die Kreislaufwirtschaft. Seit 2015 ist er auch wissenschaftlicher Geschäftsführer des österreichischen Metallurgie-Kompetenzzentrums K1-MET GmbH.
Methanpyrolyse - ein interdisziplinärer Forschungsschwerpunkt der Montanuniversität (07.04.2022)
Markus Lehner
Wasserstoff mit geringem CO2-Fußabdruck ist ein Schlüsselelement für die Dekarbonisierung. Der Bedarf an Wasserstoff in der Europäischen Union wird von derzeit rund 330 TWh auf bis zu 2250 TWh im Jahr 2050 ansteigen. Damit würden sich rund 560 Mio. Tonnen CO2 jährlich einsparen lassen. Es ist daher notwendig, neben der Wasserelektrolyse, die große Mengen an erneuerbarem Strom benötigt, weitere, CO2-arme Produktionsprozesse für Wasserstoff zu entwickeln. Der Pyrolyse von Methan, also die thermische und/oder katalytische Spaltung von CH4 in Wasserstoff und festen Kohlenstoff, wird dabei ein hohes Potential eingeräumt. Methanpyrolyseprozesse weisen jedoch - im Gegensatz zur Wasserelektrolyse - derzeit noch einen geringen technischen Entwicklungsstand auf. An der Montanuniversität wird die Entwicklung von Methanpyrolyseprozessen, inklusive der nutzbringenden Verwendung des festen Kohlenstoffs, in einer interdisziplinären Zusammenarbeit von mehreren Lehrstühlen vorangetrieben. Der Vortrag beschreibt die Grundlagen der Methanpyrolyse und schafft einen Überblick über die derzeit laufenden Forschungsaktivitäten an der Montanuniversität.
Markus Lehner studierte Verfahrenstechnik an der Technischen Universität München. Er promovierte am Lehrstuhl für Thermodynamik der TU München zur Abgasreinigung von Abfallverbrennungsanlagen. Seine Industriekarriere begann er als Projektingenieur im Anlagenbau bei der RVT Process Equipment GmbH, die zu dieser Zeit noch Rauschert Verfahrenstechnik GmbH hieß. Zuletzt war er in diesem Unternehmen für den Bereich Vertrieb, Konstruktion und Engineering verantwortlich und maßgeblich am Aufbau des Asiengeschäftes und einer Niederlassung in China beteiligt. Seit 2010 leitet er den Lehrstuhl für Verfahrenstechnik des industriellen Umweltschutzes und beschäftigt sich intensiv mit der Nutzung von CO2 als Rohstoff, chemisch-katalytischen Prozessen zur Erzeugung erneuerbarer Kohlenwasserstoffe sowie dem chemischen Recycling von Kunststoffabfällen.
Sustainable Development Goals, Technologische Innovationen und Gender: Leitlinien für eine inklusive Technologie-Entwicklung (12.05.2022)
Dr.in Brigitte Ratzer
Anhand der Themenfelder Energie und Mobilität geht der Vortrag der Frage nach, was die jeweiligen Themen mit dem Geschlecht/Gender zu tun haben. Gender strukturiert unsere Gesellschaft und ist ein gesellschaftlicher Platzanweiser. Anhand der beiden ausgewählten Technologiefelder wird diskutiert, welche Genderaspekte hier eingewoben sind, und wie diese unsere Handlungsoptionen beeinflussen. Wie kann eine Energiewende gelingen, die die notwendige Senkung unseres Energieverbrauches bewerkstelligt? Und die zugleich alle Menschen gleichermaßen berücksichtigt und keine Verlierer_innen zurücklässt? Welche Kriterien müssen Mobilitätskonzepte erfüllen, die für alle Menschen geeignet sind?
Brigitte Ratzer, Studium der Technischen Chemie, Promotion im Fach Wissenschaftssoziologie. Seit 2005 Leiterin der Abteilung Genderkompetenz der TU Wien. Schwerpunkt sind hier die Bereiche Forschung zu menschengerechter Technikentwicklung sowie zur Gleichstellung der Geschlechter und zu Intersektionalität. Koordinatorin des EU Projektes „GEECCO – Gender Equality in Engineering through Communication and Commitment“ und des SDG 5 im Projekt UniNeTZ – Universitäten und nachhaltige Entwicklungsziele.
Energiepreisrallye (19.05.2022)
Karina Knaus
Im Sommer 2021 setzte an den Energiegroßhandelsmärkten eine noch nie dagewesene Preisrallye ein. Der Preisanstieg konnte über alle Energieträger hinweg bzw. auch bei den CO2-Zertifikatspreisen beobachtet werden. Der starke Preisanstieg an den Märkten war sowohl global, in Europa, als auch in Österreich zu spüren und führte bei vielen Produkten zu Preisrekorden. Zahlreiche Gründe können als Ursachen identifiziert werden, die in Summe betrachtet, dem Energiemarkt einen noch nie dagewesenen „perfect storm“ beschert haben.
Karina Knaus leitet seit August 2016 das Center Volkswirtschaft, Konsumenten und Preise in der Österreichischen Energieagentur. Ihr Fokus liegt dabei in den Bereichen Energie- und Klimapolitik, volkswirtschaftliche Modellierung des Energiesystems, Preisanalysen und Energiekosten, und Verbrauchsverhalten. Davor konnte sie umfassende Erfahrung im Energiebereich, sowohl im wissenschaftlichen wie außeruniversitären Umfeld, sammeln. Neben ihrer Tätigkeit bei der österreichischen Regulierungsbehörde für Strom und Gas (E-Control) war Karina Knaus jahrelang als Lektorin im Bereich öffentliche Wirtschaft und Finanzwirtschaft an der Universität Wien tätig. Studienabschlüsse in den Fachbereichen Volkswirtschaft, Soziologie und Wettbewerbsrecht an der Universität Wien, University of Bristol und am King‘s College London sind das Fundament ihrer Arbeit im Energiebereich.
Klima- und Energie-Modellregionen – ein Rezept aus Österreich für eine erfolgreiche Bottom-Up-Bewegung im Bereich Klimaschutz (09.06.2022)
Daniela Schelch
Der Klima- und Energiefonds wurde bereits 2007 durch die Österreichische Bundesregierung ins Leben gerufen um neue, innovative Wege für den Klimaschutz und eine nachhaltige Energiewende zu entwickeln. Eine der erfolgreichsten Initiativen Österreichs in den letzten Jahren ist das Programm „Klima- und Energie-Modellregionen“.
Mehr als 100 österreichische Regionen werden dabei unterstützt, ihre lokalen Ressourcen an erneuerbaren Energien optimal zu nutzen und die klimapolitischen Ziele auf regionaler und lokaler Ebene zu verankern. Technik und Wissenschaft geben uns längst ganz neue Möglichkeiten, es braucht jedoch auch den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel, damit die Klima- und Energiewende gelingen kann. Genau hier setzen die Modellregionen die Hebel an. Zahlreiche Klimaschutz- und Energieprojekte aus den Bereichen regionale Ressourcen, Mobilität und Kreislaufwirtschaft werden umgesetzt und einige Praxisbeispiele hier vorgestellt.
"Es braucht starke Netzwerke, viel Begeisterung und eine Menge Durchsetzungskraft, um neue Ideen und Konzepte für den Klimaschutz in die Tat umzusetzen". Mag. Daniela Schelch, gebürtige Obersteirerin, hat an der KFU Graz Biodiversität und Ökologie studiert und einen Master in Botanik erworben. Seit 2017 ist sie Managerin der Klima und Energie-Modellregion Karnische Energie (Bezirk Hermagor) und brachte in den letzten Jahren viele erfolgreiche Projekte für die Energie- und Mobilitätswende auf den Weg. Dort hat sie u.a. erfolgreich das E-Carsharing-System FReD aufgebaut. Zuletzt wurde die Region Nassfeld-Pressegger See – Lesachtal – Weissensee ebenfalls unter der Leitung von Daniela Schelch zu einer von nur zwei österreichweiten Schwerpunktregion für nachhaltigen Tourismus ausgewählt. 2021 wurde sie vom Klima und Energiefonds zur KEM Managerin des Jahres gekürt.
Finanzierung der Rohstoffsuche für die Energiewende (23.06.2022)
Jan Bongaerts
Aus der Sicht der Finanzierung unterscheiden sich Bergbauprojekte in vielerlei Hinsicht von anderen industriellen Vorhaben. Ein wesentliches Merkmal betrifft die Endlichkeit der Lagerstätte und damit die zeitliche Begrenzung. Während ein Industriestandort mithilfe von Materialbeschaffung und Einkauf langfristig abgesichert werden kann, verringert sich die Lagerstätte eines Bergbauprojekts mit fortschreitendem Abbau. Allerdings stellt das für die Finanzierung kein besonderes Problem dar.
Viel wichtiger ist der oft sehr lange Vorlauf mit mehreren vorbereitenden Phasen: Aufsuchen, Erkundung, Bau und Installation der Bergwerksanlagen, Test für Inbetriebnahme bis endlich die Gewinnung ihren Anfang nehmen kann. Gerade in diesen vorbereitenden Phasen nimmt der Finanzierungsbedarf stetig zu und erreicht meistens seinen größten Umfang kurz vor Produktionsbeginn.
Über diesen gesamten Zeitraum, oft länger als ein Jahrzehnt, werden keine Einnahmen erzielt, die für Zinszahlungen und Tilgung von Darlehen verwendet werden können. Gewinnausschüttungen gibt es ohnehin nicht. Es stellt sich somit die Frage, wie diese vorbereitenden Phasen finanziert werden. Wer beteiligt sich als Investor? Welche Arten der Finanzierung gibt es? Welche Konditionen werden bestimmt? Wie werden diese Konditionen gerechnet und bewertet? Welche Laufzeiten gibt es? Wie stellt sich ein Bergbauprojekt als „attraktiv“ für Investoren dar? Wie wird die Effektivität einer Investition bei Null-Einnahmen und Verlustausweisen gemessen?
Im Vortrag können diese und weitere Fragen nicht alle und schon gar nicht in Gänze beantwortet werden. Dennoch erhalten die Teilnehmenden anhand eines Fallbeispiels eines Bergbauprojekts einen Einblick in die besondere Finanzwelt um den Bergbau herum.
Jan C. Bongaerts ist emeritierter Professor für Umwelt- und Ressourcenmanagement and der TU Bergakademie Freiberg. Er war in seiner aktiven Zeit bis April 2017 Studiendekan des Studiengangs MBA International Management of Resources and Environment und damit für die akademische Ausbildung von zahlreichen internationalen Studierenden mitverantwortlich. Er steht der Universität weiterhin als Berater für internationale Projekte, unter anderem EURECA-PRO, the European University Alliance for Responsible Consumption and Production, zur Verfügung. Er ist an einem internationalen Projekt zur Etablierung und weiteren Ausgestaltung eines Montaninstituts an der Taita Taveta University in Kenia beteiligt. Unter der Bezeichung CEMEREM (Centre of Excelllence for Mining, Environmental Engineering and Resource Management) ist es eines der DAAD Centres of African Excellence. Er halt noch einige Vorlesungen, davon eine zum Thema Finanzierung von Bergbauvorhaben.
Wie Abfallmineralogie die Freisetzung von Schadstoffen verringern kann (30.06.2022)
Daniel Vollprecht
Der Schutz von Mensch und Umwelt vor dem Eintrag von Schadstoffen stellt eine Kernaufgabe einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft dar. Die Ausschleusung und Deponierung von schadstoffhaltigen Abfällen aus anthropogenen Stoffkreisläufen dient diesem Zweck, ist jedoch mit einem erhöhten Ressourcenverbrauch verbunden, der gerade bei nicht-erneuerbaren mineralischen Rohstoffen nicht nachhaltig ist. Dieses Spannungsverhältnis von Schadstoffausschleusung und Ressourceneffizienz kann durch die Anwendung mineralogischer Methoden und Konzepte in der Kreislaufwirtschaft gelöst werden. Chemische Elemente sind nämlich nicht per se schädlich, sondern nur wenn sie in bestimmter Form vorliegen, in die Umweltmedien Boden, Wasser und Luft freigesetzt und aus diesen von Lebewesen aufgenommen werden können. In anorganisch-nichtmetallischen Materialien (Keramik, Glas, Baustoffe, Schlacken, Gesteine, Böden) sind chemische Elemente in spezifischen Mineralphasen gebunden, die sie mehr oder weniger stark binden und ihre Freisetzung in die Umweltmedien während ihres gesamten Lebenszyklus (Rohstoff - Werkstoff - Erzeugnis - Abfall - Rohstoff....) hemmen. Diese mineralogische Bindungsform dieser Elemente kann teilweise im Produktionsprozess gesteuert werden, was den Grundstein für ein Ökodesign mineralischer Nebenprodukte und Abfälle legt. Auf diese Weise können saubere Stoffkreisläufe geschaffen werden, in denen potentielle Schadstoffe ohne Kontakt zur Biosphäre im Kreis geführt werden und - da sie zugleich auch Wertstoffe sind - ihre spezifischen materialwissenschaftlichen Funktionen erfüllen. Auf diese Weise trägt die "Abfallmineralogie" zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung anorganisch-nichtmetallischer Materialien bei.
Daniel Vollprecht ist seit 2020 assoz. Professor für materialorientierte Abfalltechnik und seit 9 Jahren Teil der Forschung an der Montanuniversität Leoben. An der TU Bergakademie Freiberg schloss er 2008 sein Diplom in Mineralogie ab und promovierte 2013 an der TU Graz. Neben der Lehre in Umweltsystemen, Bodenbehandlungsverfahren, u.v.m. , ist er Arbeitsgruppenleiter in der Forschung für Werstoffrückgewinnung und Schadstoffbindung.